Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hat zur Petition „Aufhebung der sogenannten GEMA-Vermutung“ am 20. Februar 2014 eine Beschlussempfehlung veröffentlicht. Die Petition hatte zum Ziel, die sogenannte „GEMA-Vermutung“ (§13c UrhWG) aufzuheben und somit die Umkehr der Beweislast zu Gunsten der GEMA und anderer Verwertungsgesellschaften für bestimmte Nutzungsrechte für unzulässig zu erklären.
Der VUT vertritt die Interessen der unabhängigen Musikunternehmen in Deutschland, zu denen vor allem kleine und mittlere Unternehmen, darunter auch ca. 300 Verlage, aber auch selbstvermarktende Künstler_innen gehören. Im VUT sind somit sowohl Mitglieder als auch Lizenznehmer der GEMA vertreten.
Der Petitionsausschuss stellt zutreffend fest, dass eine effektive Wahrnehmung der Rechte von Urheber_innen ohne die sogenannte „GEMA-Vermutung“ unmöglich wäre, denn „ohne die GEMA-Vermutung könnten sich Rechtsverletzer letztlich mit der pauschalen Behauptung einer Vergütungspflicht und Rechtsdurchsetzung entziehen, dass sie lediglich gemein- bzw. GEMA-freie Werke gespielt haben.“[1] Die GEMA müsste dann für jedes einzelne gespielte Werk ihre Rechtsinhaberschaft darlegen und beweisen. Eine Vergütung könnte nur durch flächendeckende Kontrollen sämtlicher Veranstaltungen von Beginn bis Ende erfolgen, was faktisch weder möglich noch finanzierbar und schon gar nicht wünschenswert wäre.
Der Petitionsausschuss empfiehlt aus zwei Gründen eine Überprüfung:
- „Im Bereich von Internet-Downloads in Europa hat (die GEMA) jedoch größere Teile des bedeutsamen anglo-amerikanischen Katalogs inzwischen an Mitbewerber verloren.“[2]
Dies ist in Bezug auf die GEMA-Vermutung irrelevant, weil die GEMA-Vermutung für Internetdienste entgegen der Behauptung der Petenten gar nicht gilt. Internetdienste erhalten deshalb von der GEMA seit Jahren titelbezogene Einzelabrechnungen nur für die Titel, die von der GEMA wahrgenommen werden.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Formulierung „an Mitbewerber verloren“ einen unzutreffenden Eindruck erweckt. „Mitbewerber“ wie die CELAS gehören der GEMA gemeinsam mit ihrer englischen Schwestergesellschaft PRS for Music[3] an und dienen schlicht der europaweiten Lizensierung von Online-Nutzungen des anglo-amerikanischen EMI Repertoires.
- „(Dass) mittlerweile eine zunehmende Zahl jüngerer Urheber in Deutschland ihre Werke bewusst GEMA-frei veröffentlichen“[4]
Auch das zweite Argument verfängt nicht. Zunächst ist diese Behauptung bisher, auch von den daran interessierten Parteien, nirgends mit belastbaren Zahlen belegt worden. Gegen sie spricht, dass die Mitgliederzahlen der GEMA keinesfalls sinken, wie zu erwarten wäre, sondern im Gegenteil zum Beispiel von 67.266 (2012) auf 68.503 Mitglieder im Jahr 2013 angestiegen ist.[5] Auch bei den von der GEMA in Deutschland vertretenen internationalen Schwestergesellschaften steigen die Mitgliedszahlen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass bei öffentlichen Veranstaltungen, Betriebsfeiern, in Bars, Diskotheken, Gaststätten, Sportheimen, bei Musikautomaten etc., das heißt dort, wo die Vermutung Anwendung findet, fast ausschließlich bekannte, kommerziell erfolgreiche Musik gespielt wird, deren Autor_innen und Verlage de facto ausnahmslos Mitglieder der GEMA oder ihrer internationalen Schwestergesellschaften sind. Musik von Autor_innen mit Creative Commons-Lizenzen spielt gerade dort keine messbare Rolle. Es ist auch deshalb vertretbar und verhältnismäßig, dass die Veranstalter_innen der wenigen Veranstaltungen bzw. die Betreiber_innen der Clubs, die GEMA-freie Musik in messbarem Umfang nutzen, die Werke in bereitgestellte Listen eintragen, anstatt der GEMA und allen anderen Urheber_innen eine flächendeckende Überwachung aller Veranstaltungen aufzubürden.
Auch die vom Petitionsausschuss vermutete Begründung der behaupteten Zunahme von GEMA-freien Veröffentlichungen - „Hintergrund ist vor allem, dass die GEMA sich bislang in der Regel Alleinvertretungsrechte übertragen lässt“[6] - ist so nicht zutreffend. Die GEMA ermöglicht seit den 70er Jahren ihren Mitgliedern, Rechte für einzelne Nutzungsarten und Territorien gesondert zu übertragen bzw. von der Übertragung auszunehmen. So kann jede/r Urheber/in schon jetzt beispielsweise die Online-Wahrnehmung von der Rechtsübertragung ausnehmen oder über eine/n Verlagspartner/in nur einzelne Werke wahrnehmen lassen.
Schließlich sieht Art 5 Abs. 3 der EU-Richtlinie für Verwertungsgesellschaften, die bis zum 10. April 2016 in deutsches Recht umzusetzen ist, ohnehin vor, dass GEMA-Mitglieder zukünftig für non-kommerzielle Nutzungen Rechte selbst vergeben können. Auch wenn die Definition von „non-kommerziellen“ Nutzungen ihre eigenen Fragen aufwirft, erübrigt sich dieser Aspekt aller Voraussicht nach. Eine Überprüfung aus diesem Grund ist vor Umsetzung der Richtlinie und Erprobung des neuen Systems daher sicher nicht geboten.
Einnahmen aus Verwertungsgesellschaften sind für Urheber_innen sowie für kleine und mittlere Unternehmen von besonderer Bedeutung, denn sie haben weder große Rechtekataloge noch eine Infrastruktur, die ihnen eine individualisierte Lizenzierung ermöglichen würde. Die kollektive Rechtewahrnehmung muss zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten erfolgen. (Aktuell werden bei der GEMA 15,6 Prozent der Erträge für Aufwendungen verwendet.)
Sollte die Beweislastumkehr wegfallen, würden, wie der Petitionsausschuss zutreffend feststellt, „Bürokratie und Verwaltungskosten der GEMA in einem erheblichen Maße steigen und die Ausschüttungen an die Urheber entsprechend zurückgehen. Die durch die Vermutung bewirkte Umkehr der Beweislast wirkt im Interesse der Urheber diesen erheblichen Nachteilen entgegen. Dies entspricht dem Grundgedanken der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die Rechtsposition der Urheber in der Auseinandersetzung um die Nutzung ihrer Rechte zu stärken.“[7]
Eine Aufhebung der GEMA-Vermutung wäre für VUT-Mitglieder, die auf Lizenzeinnahmen der GEMA angewiesen sind, deshalb ein Desaster.
Aber auch im Namen des gesamten VUT halten wir eine Aufhebung für sachlich falsch und rechtlich nicht haltbar, die vom Petitionsausschuss angeführten Argumente für eine Überprüfung der GEMA-Vermutung für unzutreffend bzw. nicht überzeugend.
[1] Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Votum und Begründung zur Petition 35441 Urheberrecht - Aufhebung der sogenannten GEMA-Vermutung vom 28.08.2012 (20.02.2014), S.3, Online: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2012/_08/_28/Petition_35441.abschlussbegruendungpdf.pdf.
[2] Ebd., S. 3/ 4.
[3] Vgl. CELAS. What is CELAS?, Online: http://www.celas.eu/CelasTabs/About.aspx (27.07.2014).
[4] Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Votum und Begründung zur Petition 35441 Urheberrecht - Aufhebung der sogenannten GEMA-Vermutung vom 28.08.2012 (20.02.2014), S.4, Online: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2012/_08/_28/Petition_35441.abschlussbegruendungpdf.pdf.
[5] Vgl. GEMA. GEMA-Geschäftsbericht 2013(2014), S. 34, Online: https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Presse/Publikationen/Jahrbuch/gema_jahrbuch_2013-14.pdf.
[6] Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Votum und Begründung zur Petition 35441 Urheberrecht - Aufhebung der sogenannten GEMA-Vermutung vom 28.08.2012 (20.02.2014), S.4, Online: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2012/_08/_28/Petition_35441.abschlussbegruendungpdf.pdf
[7] Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Votum und Begründung zur Petition 35441 Urheberrecht - Aufhebung der sogenannten GEMA-Vermutung vom 28.08.2012 (20.02.2014), S.3, Online: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2012/_08/_28/Petition_35441.abschlussbegruendungpdf.pdf.