Der finale Richtlinienentwurf zum neuen Urheberrecht: Was steht drin?
06.03.2019
In der aufgeheizten Debatte um die Urheberrechtsreform empfiehlt es sich Primärquellen zu lesen. Der Text, über den das Europäische Parlament am 26. März abstimmt, kann hier in seiner Originalversion in Englisch abgerufen werden. Seit dem 22. März ist auch die deutsche Übersetzung einsehbar (in dieser wurde auf die Unternummerierung mit Buchstaben der Artikel verzichtet, der diskutierte Artikel 13 steht hier als Artikel 17).
Seit dem 17. Mai 2019 ist außerdem die finale Version der Richtlinie einsehbar unter diesem Link.
Zum besseren und schnelleren Verständnis haben wir zusammengetragen welche Kernpunkte in der Richtlinie stehen:
• YouTube, Facebook und Instagram sind zukünftig sogenannte „Online-Content-Sharing-Dienste“. Als Online-Content-Sharing-Dienste werden Anbieter bezeichnet, die aus Gewinnabsicht große Mengen urheberrechtlich geschützter Werke oder sonstiger Inhalte, die von ihren Benutzer_innen hochgeladen wurden, speichern und öffentlich zugänglich machen sowie irgendwie aufbereiten und bewerben. Weitere Voraussetzung ist, dass sie eine bedeutende Rolle im Markt spielen und mit typischen Content-Providern wie Deezer oder Spotify konkurrieren. Explizit ausgenommen sind Plattformen, die nicht gewinnorientiert arbeiten, beispielsweise NGOs, Online-Enzyklopädien und Plattformen mit anderen Geschäftsmodellen, wie z.B. Online-Marktplätze, Cloud-Dienste und Access-Provider wie die Telekom. (Artikel 2.5 und Erwägungsgrund 37a). Während YouTube, Facebook und Instagram also unter die neuen Regelungen fallen, sind Wikipedia, Ebay, WhatsApp, Dropbox, O2 etc. nicht betroffen.
• Online-Content-Sharing-Dienste stellen urheberrechtlich geschützte Werke oder sonstige Inhalte öffentlich zur Verfügung und bedürfen hierfür der Erlaubnis bzw. Lizenz von den Rechteinhabern (Art. 13.1). Diese soll die Aktivitäten der Nutzer abdecken, also z. B. Bearbeitungen, sofern sie nicht gewerblich handeln oder nennenswerte Einnahmen erzielen (Art. 13.2).
• Ausdrücklich ist ausgeschlossen, dass sich die Online-Content-Sharing-Dienste auf die Haftungsbefreiung der E-Commerce-Richtlinie berufen (Art. 13.3), was nach derzeitiger Rechtslage fast in allen Fällen dazu geführt hat, dass Rechteinhaber gegen Provider wie YouTube keine Schadensersatzansprüche zustanden.
• Online-Sharing-Content-Dienste gelten rechtlich nun selbst als Anbieter ihrer Inhalte und müssen die volle Verantwortung für sämtliche Inhalte auf ihren Plattformen übernehmen. Diese grundsätzliche Haftung wurde allerdings eingeschränkt, denn anders als bei Content-Providern wie Spotify generieren sich die Inhalte bei YouTube aus den Uploads der Nutzer. Daher werden die Online-Content-Sharing-Dienste anders als die Content-Provider von der Haftung weitgehend freigestellt, wenn sie bestimmte Maßnahmen ergreifen um Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden, z. B. müssen sie sich ernsthaft bemüht haben („best efforts“) eine Lizenz zu erhalten und dafür sorgen, dass es nicht zu Re-Uploads von bekannten, nicht lizenzierten Inhalten kommt. Dabei ist klargestellt: Kein Label, Verlag oder Künstler muss eine Lizenz erteilen.
• Wie diese „best efforts“ genau aussehen, das werden der deutsche Gesetzgeber und die Gerichte im Laufe der Zeit präzisieren müssen, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Von einem Anbieter wie YouTube werden andere Sorgfaltspflichten erwartet, als von einem kleinen Portal (Art. 13.4 und Art. 13.4a). Für kleine Content-Sharing-Service-Dienste (Start-ups) gilt in den ersten drei Geschäftsjahren grundsätzlich eine Ausnahmeregelung, sofern sie einen Umsatz von unter 10 Millionen Euro und monatlich durchschnittlich weniger als 5 Millionen Nutzer haben In diesem Fall sind sie nur verpflichtet, Inhalte auf Mitteilung des Rechteinhabers zu löschen (Art. 13.4aa, EG 38b).
• Der im Trilog erarbeite Kompromiss soll die Interessen von Rechteinhabern, Plattformbetreibern und Verbraucher_innen ausgleichen. Die Interessen der Verbraucher_innen werden zunächst durch die Absicht berücksichtigt, dass Lizenzverträge die üblichen Nutzungsformen mitumfassen sollen (siehe oben, Art. 13.5). Die Zusammenarbeit zwischen Diensten und Rechteinhabern darf weiterhin nicht den Upload von Werken verhindern, die nicht urheberrechtlich geschützt sind oder keiner Lizenz oder Zustimmung der Rechteinhaber bedürfen, etwa weil der Nutzungszweck gesetzlich erlaubt ist. Hierzu zählen Zitate, Kritiken, Rezensionen sowie die Verwendung zum Zwecke der Karikatur, Parodie oder Nachahmung (Artikel 13.5). Die Umsetzung von Art. 13 darf nicht zu einer allgemeinen Überwachungspflicht führen (Art. 13.7). Sollte ein Online-Content-Sharing-Dienst Nutzeruploads nicht veröffentlichen, dann sieht die Richtlinie für Streitfälle eine Beschwerdemöglichkeit für Uploader bis hin zu gerichtlicher Klärung des Sachverhalts vor (Art. 13.8). Auf lokaler Ebene werden Dialoge mit Interessengruppen organisiert, um bewährte Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen Dienstleistungen und Rechteinhabern zu erörtern (Artikel 13.9).
• Regelungen zur angemessenen Vergütung, Transparenzverpflichtung und Vertragsanpassung (Art. 14 und 15) stellen für deutsche Musikunternehmer_innen keine Veränderung dar. Anders verhält es sich mit dem Widerrufsrecht („use it or loose it“). Entsprechend der Richtlinie kann ein_e Autor_in oder Interpret_in die Lizenz oder die Übertragung von Rechten ganz oder teilweise widerrufen, wenn sein/ihr Werk oder seine/ihre Leistung nicht mehr ausgewertet wird (Artikel 16a).
Weiterführende Informationen:
- Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Richtlinienentwurf über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt
- Appell der Akteure der Kultur- und Medienwirtschaft "Ja zur EU-Urheberrechtsrichtlinie"