Einfachere Entlastung vom Steuerabzug – Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Bürokratieabbau bei Doppelbesteuerung

13.11.2023

Problemlage

Der Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen (VUT) organisiert rund 1.200 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Viele dieser inländischen Unternehmen (Lizenznehmer*innen) lizensieren Rechte von ausländischen Rechteinhaber*innen (Lizenzgeber*innen) und müssen über diese, Auswertungserlöse halb- oder vierteljährlich eine Abrechnung erstellen.

Bei der Mehrheit der Abrechnungen liegt der Auszahlungsbetrag deutlich über dem derzeitigen Schwellenwert in Höhe von 5.000 Euro, sodass die Ausschüttung der Abzugssteuer nach §50c (2) 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) unterliegen.

Bis zur Umstellung auf das verpflichtende elektronische Verfahren ab 1. Januar 2023 hatten die inländischen KMU den ausländischen Lizenzgeber*innen mit der Beantragung der Entlastung beim Bundeszentralamt für Steuern (BZST) assistiert, indem sie die Antragsformulare so weit ausgefüllt haben, dass ihre Partnerunternehmen nur noch die Ansässigkeitsbescheinigung beim heimischen Finanzamt beantragen und weiterleiten mussten. Nach Übersendung der vollständigen Unterlagen an das BZST durch das inländische Unternehmen erfolgte üblicherweise innerhalb von drei Monaten der Versand der Freistellungsbescheide. Diese Bearbeitungszeit hat sich inzwischen auf regelmäßig rund 11 Monate fast vervierfacht (vgl. Antwortschreiben des BZST vom 27. Oktober 2023 an den VUT).

Administrative Hürden und stark verlängerte Bearbeitungszeiten führen faktisch dazu, dass ausländische Rechteinhaber*innen – trotz Doppelbesteuerungsabkommen – in Deutschland doppelt besteuert werden. Die ausländischen Lizenzgeber*innen sind quasi gezwungen, entweder solange auf Zahlungen zu warten, bis die Freistellungsbescheide vorliegen, da Lizenznehmer*innen vorher nicht ohne Steuerabzug auszahlen dürfen oder sie nehmen den Einbehalt hin und beantragen beim Bundeszentralamt für Steuern (BZST) eine Steuererstattung, was, wiederum mit langen Wartezeiten verbunden ist. Dies stellt für deutsche Musikunternehmen eine wesentliche Benachteiligung gegenüber Wettbewerber*innen aus anderen EU-Ländern dar, die entweder keine Abzugsteuer erheben oder zumindest ein einfacheres und schnelleres Bearbeitungsverfahren anwenden.

In der Praxis vergeben beispielsweise Rechteinhaber*innen aus den USA oft Lizenzen an ein Partnerunternehmen in der EU, das die Auswertung für den gesamten europäischen Markt übernimmt. Das derzeit sehr aufwändige und langwierige Verfahren in Deutschland ruft bei ausländischen Partnerunternehmen Unverständnis und Verdrossenheit hervor. Die derzeitigen Regelungen zielen darauf ab, dass inländische Gewinne insbesondere großer US-Digitalkonzerne nicht missbräuchlich geringgerechnet werden. Jedoch beeinträchtigen sie in der derzeitigen Ausgestaltung auch über Gebühr das Lizenzgeschäft von KMU.

Erschwerend kommt hinzu, dass mit der Transformation vom physischen Geschäft ins digitale inzwischen die Umsätze aus Lizenzgeschäften mit 82,0% zur bestimmenden Einnahmequelle gehören (vgl. Bundesverband Musikindustrie, 18.07.2023: Halbjahresreport 2023). Das Lizenzgeschäft ist damit Grundlage des Wirtschaftszweiges. Für deutsche KMU hier ein Level Playing Field innerhalb der EU zu schaffen, ist somit dringend geboten.

Verfahrensanzahl und Bearbeitungszeit deutlich verringern

Im Referat St II 9 des BZST gehen jährlich rund 40.000 Abzugssteueranmeldungen und 20.000 Entlastungsanträge ein (vgl. Antwortschreiben des BZST vom 27. Oktober 2023 an den VUT). Aufgrund der Umstellung zu digitalen Verfahren, neuer Prüfungsroutinen und des spürbaren Fachkräftemangels, ist die Bearbeitungszeit der Anträge drastisch auf rund 11 Monate gestiegen. Einerseits muss die Bearbeitung anliegender Verfahren deutlich beschleunigt werden, andererseits sollte die Anzahl der Verfahren mittels Bürokratieabbaus aktiv verringert werden.

Schwellenwert für Freistellung spürbar erhöhen

Der Gesetzentwurf zum Wachstumschancengesetz vom 2. Oktober 2023 sieht eine Erhöhung des Schwellenwertes für die Entlastung vom Steuerabzug von derzeit 5.000 auf 10.000 Euro vor.  Dieses positive Signal reicht jedoch nicht weit genug, da der Betrag immer noch weit unter der Wirtschaftlichkeitsgrenze für KMU liegt. Der Gesetzgeber sollte ein deutliches Zeichen für Bürokratieabbau und die Wettbewerbsfähigkeit senden und die Schwelle auf 50.000 Euro heraufsetzen. §50c (2) 2 EStG sollte wie folgt geändert werden:
"soweit es sich um Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 50a Absatz 1 Nummer 3 handelt und soweit der Besteuerung der Einkünfte ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entgegensteht; dies gilt nur, wenn die Vergütung zuzüglich der dem beschränkt Steuerpflichtigen in demselben Kalenderjahr vom Schuldner bereits zugeflossenen Vergütungen 50 000 Euro nicht übersteigt."

Sichtbare Verbesserungen

Mit Blick auf die bisherigen Veränderungen sehen wir vorsichtig optimistisch, dass die schwierige Situation für Musikunternehmer*innen mit den obenstehenden Vorschlägen verbessert werden kann. Zuversichtlich haben wir beispielsweise zur Kenntnis genommen, dass die noch zur Zeit unseres Schreibens vom 28. August 2023 an die BZST mangelnde Übersetzung der Formulare zwischenzeitlich beseitigt wurde. Immerhin ist das langwierige Verfahren nun auch für ausländische Partnerunternehmen in englischer Sprache abrufbar. Dies ist ein kleiner Schritt in Richtung Praktikabilität, schließlich raten Steuerkanzleien ihren inländischen Mandanten aus Haftungsgründen davon ab, die Antragstellung für ihre ausländischen Lizenzgeber*innen zu übernehmen. Ungeachtet der wichtigen Prävention von Steuervermeidung und -betrug gilt es nun, weitere Hürden für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher KMU abzubauen.