Zusammenfassung der VUT-Stellungnahme zum Referentenentwurf des „Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“
16.12.2015
· Die im Referentenentwurf beschriebene Ausgangsproblematik trifft auf die Musikwirtschaft nicht zu.
Praktiken wie „Blacklisting“ existieren in der Musikwirtschaft nicht. „Total-Buy-Outs“ kommen nur in Randbereichen wie Auftragskompositionen für Drittwerke oder untergeordneten Werkbeiträgen vor.
Es liegen auch keine empirischen Erkenntnisse vor, die weitere Regelungen zur Durchsetzung des Anspruchs der Urheber_innen und ausübenden Künstler_innen auf angemessene Vergütung innerhalb der Musikwirtschaft nahelegen.
· Unangemessen niedrige Vergütungen in der Musikwirtschaft sind vor allem die Folge von massenhaft unvergüteten (rechtswidrige Quellen, Datenhehlerei) und sehr niedrig vergüteten (z.B. YouTube) Musiknutzungen. Diese Problematik trifft Urheber_innen, Interpret_innen und deren Vertragspartner_innen in der Musikwirtschaft gleichermaßen – mehr Durchsetzung von Ansprüchen untereinander kann schon deshalb keinen entscheidenden Beitrag zur Lösung der grundlegenden Herausforderungen leisten.
· Der VUT spricht sich ausdrücklich für eine angemessene Beteiligung von Kreativen aus.
Interpret_innen (sogenannte „Featured Artists“), künstlerische Produzent_innen, Komponist_innen und Texter_innen von Musikwerken haben in der Musikwirtschaft vertragliche Ansprüche auf Erlösbeteiligung, Buchprüfungs- und Auskunftsrechte – sie sind an wirtschaftlichen Erfolgen beteiligt. Exklusive persönliche Bindungen in Verlagsverträgen sind nach fünf Jahren bereits jetzt einfach kündbar.
Eine Ausweitung von Ansprüchen auf Auskunft und Rechenschaft auf – in der Regel als Auftragsarbeiten erstellte – untergeordnete Werkbeiträge (zum Beispiel von sogenannten Studiomusiker_innen, Coverdesigner_innen etc.) wäre in der hochgradig arbeitsteiligen Musikwirtschaft dagegen praxisfern, kontraproduktiv und wird u.W. von keiner beteiligten Seite ernsthaft gefordert.
Defizite bestehen in völlig anderen als den im Referentenentwurf beschriebenen Bereichen. Der VUT fordert seit Langem eine Verbesserung der Transparenz und Überprüfbarkeit der Abrechnungen von Onlinenutzungen im Interesse sowohl der unabhängigen Musikunternehmen als auch der Kreativen.[1] Dies muss aber bei den hierfür verantwortlichen multinationalen Konzernen durchgesetzt werden, um im Innenverhältnis zwischen Kreativen und ihren unabhängigen Vertragspartner_innen überhaupt greifen zu können.
· Die Autor_innen des Referentenentwurfs scheinen die entscheidende Voraussetzung für Investitionen in junge Kreative und für kulturelle Vielfalt unverzichtbare Werke nicht verstanden zu haben.
Die Umsetzung des Referentenentwurfs in seiner jetzigen Form würde zu erheblichen Kollateralschäden in der Musikwirtschaft führen – zum Nachteil der in Deutschland wohnhaften oder niedergelassenen Urheber_innen, Interpret_innen, Tonträgerhersteller_innen und Musikverlage.
In der Musikwirtschaft tragen überwiegend kleine und mittelständische Unternehmen die hohen Risiken bei der Entwicklung neuer Künstler_innen und Werke. Wie in anderen Bereichen der Kreativwirtschaft auch, ist nur ein kleiner Anteil der Werke eines kleinen Anteils der neuen Künstler_innen erfolgreich. Die langfristigen Rechte an diesen wenigen langlebigen „Hits“ sind Grundlage und Voraussetzung der Existenz von kleinen und mittelständischen Musikverlagen und ihrer Fähigkeit, kontinuierlich weiter in junge Kreative und auch außergewöhnliche Werke, die nicht allein auf kurzfristigen kommerziellen Erfolg ausgerichtet sind, zu investieren.
Ein de facto bedingungsloses Rückrufsrecht trotz angemessener Beteiligung der Urheber entfernt die wichtigste Voraussetzung für diese Investitionen.
Stattdessen befördert es einen „Raubtierkapitalismus“, der es multinationalen Konzernen oder Finanzinvestoren – unbelastet durch parallele Investitionen in die Mehrzahl nicht erfolgreicher Werke oder in die Entwicklung der wenigen erfolgreichen – ermöglicht, punktuell nur bereits erfolgreiche „Hits“ aus kleinen Unternehmen herauszulösen, indem sie einzelnen Urheber_innen für einzelne Werke Angebote machen, die leicht so strukturiert werden können, dass kleine Unternehmen diese nicht „matchen“ können. Das Vorkaufsrecht nach § 463 ff. BGB ist gänzlich ungeeignet, dies zu verhindern.
· Gegen den Rückruf eines nicht ausgeübten Nutzungsrechts ist aus unserer Sicht hingegen nichts einzuwenden.
· Das Urheberrecht gilt für alle Branchen der Kreativwirtschaft. Die gut gemeinten Absichten des Referentenentwurfs werden verfehlt, weil die Autor_innen offensichtlich versäumt haben, sich mit der Komplexität und den substanziellen Unterschieden der Arbeitsweise von beispielsweise Zeitungs-, Buch- und Musikverlagen, der Film-, Games- oder Musikwirtschaft insgesamt auseinanderzusetzen.
Die Lösungsvorschläge scheinen auf Teilbereiche abzuzielen, ohne die teilweise katastrophalen Auswirkungen in allen anderen Branchen zu berücksichtigen. Der Referentenentwurf wird einem so wichtigen Vorhaben wie der Reform des Urheberrechts deshalb nicht gerecht.
[1] Siehe auch die von unabhängigen Musikunternehmen weltweit unterzeichnete „Fair Digital Deals Declaration“ unter: WIN – Worldwide Independent Network. Fair Digital Deals Declaration (16.07.2015). Online: http://winformusic.org/declarationhomepage/ (Abgerufen am 11.12.2015).