Brief an die Politik: Google/YouTube droht unabhängigen Künstler_innen und Musikunternehmen
12.06.2014
Folgender Brief wurde vergangene Woche an deutsche Politiker_innen versendet:
Berlin, 04.06.2014
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir, der VUT – Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V., der die Interessen von rund 1.300 unabhängigen Musikunternehmen in Deutschland vertritt, möchten Sie dringend auf das Vorgehen YouTubes im Bezug auf die von unabhängigen Musikunternehmen bereitgestellten Inhalte hinweisen.
Unabhängige Musikunternehmen sind kleine und mittelständische Unternehmen, die für 80 Prozent der Arbeitsplätze in der Musikwirtschaft stehen. 80 Prozent aller Veröffentlichungen sind zudem den unabhängigen Unternehmen zuzuschreiben. Diese sogenannten Independents sind die Partner von Künstlerinnen und Künstlern und die Förderer von Kreativität und Kultur. Sie entdecken Talente, investieren in sie und bauen so nachhaltige Karrieren in der Kreativwirtschaft auf. Der Beitrag der unabhängigen Musikunternehmen zu unserer vielfältigen und reichen Kulturlandschaft ist enorm. Denn jedes neue Genre und jeder Musiktrend hat seinen Ursprung im unabhängigen Musikbereich. Zudem ist der ökonomische Beitrag der Independents nicht zu unterschätzen.
Cro und Die Toten Hosen sind nur zwei bekannte Künstler, deren Partner unabhängige Musikunternehmen sind. Gleichzeitig gibt es eine große Anzahl von weniger bekannten, aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern, die aus Deutschland kommen. Diese Künstlerinnen und Künstler, wie beispielsweise auch Fettes Brot und DJ Koze, haben sich für unabhängige Musikunternehmen entschieden, da sie ihnen eine partnerschaftlichere Zusammenarbeit, eine größere Flexibilität und Transparenz sowie eine nachhaltigere Karriere bieten als es ihnen jeder Major bieten könnte. Insgesamt stehen unabhängige Musikunternehmen für einen Marktanteil von 30 Prozent in Deutschland, damit stehen sie direkt an zweiter Stelle hinter Universal.
Wie Sie sicherlich wissen, ist YouTube seit 2006 eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Google. Es wird erwartet, dass YouTube seinen eigenen Streamingdienst noch in diesem Jahr starten wird, der mit bereits etablierten Diensten wie Spotify konkurrieren wird. YouTube versucht aktuell, unabhängige Musikunternehmen dazu zu zwingen, Verträge zu unterschreiben, deren Vertragsbedingungen schlechter sind als die, die internationale Majors (Sony, Warner und Universal) angeboten bekommen haben. YouTube droht den Independents damit, ihre Inhalte auf der Plattform zu sperren, wenn sie diese Verträge nicht unterschreiben.
Laut Angaben von VUT- und WIN-(Worldwide Independent Network) Mitgliedern sind die Vertragsbedingungen des neuen YouTube-Vertrags äußerst ungünstig und nicht verhandelbar. Zudem sind sie in vielen Fällen nicht ausführbar, beispielsweise wenn sie auf die Einräumung von globalen Linzenzen bestehen, die ein Independent ihnen nicht gewähren kann. Außerdem liegt die Vergütung unter den Preisen, die andere Musikstreaming-Dienste wie u.a. Spotify, Rdio und Deezer zahlen. Die genannten Streamingdienste haben sich dazu entschieden, das Repertoire der unabhängigen Musikunternehmen zu Bedingungen zu lizenzieren, die mit denen der Majors vergleichbar sind. Dies ist etwas, was YouTube nie versucht hat, stattdessen versteckt sich das Unternehmen hinter der Hostproviderprivilegierung, die in der E-Commerce-Richtlinie von 2000 festgelegt ist.
Wenn dieses aggressive Verhalten YouTubes nicht aufhört, sind die daraus resultierenden Folgen äußerst schwerwiegend und zwar nicht nur für die Musikwirtschaft, sondern für die gesamte Kreativwirtschaft und alle Bereiche, die auf der Wahrnehmung von Rechten basieren.
Wir befinden uns dann schnell in einer Situation, in der der gesamte internetbasierte Handel von kreativen Inhalten von nur zwei oder drei Offshore-Unternehmen bestimmt wird, die anscheinend die Absicht haben, so viel Profit wie möglich zu generieren, aber so wenig wie möglich an jene Unternehmen und Künstlerinnen und Künstler zurückzugeben, die eben diese kreativen Inhalte schaffen, auf denen diese Offshore-Unternehmen ihre Geschäftsmodelle aufbauen und von denen sie abhängig sind.
Es gibt hier Parallelen zum Buchhandel: Es ist heute bekannt, dass Amazon Verlage bestraft, die sich weigern, die neuen Vertragsbedingungen zu unterschreiben, welche für Amazon Profite generieren, aber von denen weder die Nutzer_innen, die Schöpfer_innen der Werke noch die Wirtschaft Deutschlands profitieren.
Google hat wenig Bereitschaft gezeigt, beispielsweise bezogen die Steuerpflicht, sich fair zu verhalten und es zeigt jetzt einen ähnlichen Mangel im Bezug auf Kultur und Kreativität. Unserer Auffassung nach stellt das Verhalten YouTubes, d.h. dass ein dominanter Marktteilnehmer versucht KMU dazu zu zwingen, Vertragsbedingungen zu akzeptieren, die schlechter sind als die der Majors, einen Missbrauch der Marktmacht im Bezug auf den digitalen Musik- und Videostreaming-Markt dar.
Darum bitten wir Sie, dringend zu intervenieren, um zu verhindern, dass weitere Sektoren der Kreativwirtschaft dazu gezwungen sein werden, teure und sinnlose Prozesse gegen dominante Marktteilnehmer wie Google führen zu müssen. Wir fordern Sie auf, zu unterbinden, dass YouTube die Inhalte der unabhängigen Musikunternehmen sperrt während sie versuchen eine wirtschaftliche Lösung zu finden.
Die Relevanz und Dringlichkeit dieses Sachverhalts bedeutet auch, dass der unabhängige Musikbereich, der auf europäischer Ebene durch IMPALA – dem Verband der europäischen Independents - vertreten wird, Maßnahmen auf EU-Ebene ergreifen wird.
Gerne stehen wir Ihnen für Rückfragen und weitere Informationen zu Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Jörg Heidemann
Stellv. Geschäftsführer