Kritische Entwicklungen beim Anteilsverkauf von UMG – Bundeskartellamt sieht keinen Anlass zur Prüfung

25.02.2020

Der geplante Verkauf von bis zu 50 Prozent der Universal Music Group ("UMG") beunruhigt die unabhängigen Musikunternehmer*innen schon länger. Konkrete Befürchtungen wurden im Sommer 2019 laut, als sich der chinesische Technologiekonzern Tencent Holdings ("Tencent") als Interessent ins Spiel brachte. Gemeinsam mit der europäischen Partnerorganisation IMPALA wandte sich der VUT am 10. Dezember 2019 in dieser Sache schriftlich an das Bundeskartellamt. Dieses sieht, auch im Angesicht jüngster Entwicklungen, keinen Anlass zur Prüfung.

Warum sieht der VUT die Entwicklung kritisch?

Tencent hat mehr als 700 Unternehmen in seinem Portfolio – von Sozial- und Unterhaltungsunternehmen über Live-Streaming bis hin zu Einzelhandel und elektronischem Kartenverkauf. Im digitalen Musikeinzelhandelsmarkt Chinas verfügt Tencent über eine geschätzte Marktdurchdringung von 80-90 Prozent. Der Konzern besitzt vier von fünf führenden Musik-Apps, einen führenden Karaoke-Dienst sowie WeChat, die App des sozialen Netzwerks, die viele andere Dienste mit über 1 Milliarde täglichen Nutzer*innen weltweit anbietet. WeChat ist unter anderem wegen Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit bekannt. Tencent ist zudem Eigentümer von QQ, bei dem ebenfalls festgestellt wurde, dass er Verbraucher*innen missbraucht, indem er persönliche Daten verlangt.

Nun erfolgt schrittweise die strategische Verbindung des größten Unternehmens auf dem digitalen Markt Chinas mit UMG, der Marktführerin auf dem Tonträgermarkt mit dem größten globalen Repertoire. Besonders besorgniserregend ist: Tencent besitzt bereits Anteile an einer der führenden Musikplattformen der Welt: Spotify.

Schätzungen zufolge, beträgt der Anteil von Tencent an Spotify auf 9,2 Prozent (Spotify hat 9,1 Prozent an Tencent). IMPALA vermutet, dass Tencent und UMG gemeinsam 12-15% von Spotify kontrollieren würden. Kein anderes Unternehmen hat einen so großen Einfluss auf Spotify. Die Auswirkungen des Anteilskaufes werden sich nicht nur auf den chinesischen Markt beschränken: Überall dort, wo Tencent aktiv ist, wird es für unabhängige Musikunternehmer*innen ungleich schwerer. Wie könnten andere mit der verstärkten Marketing- und Werbekraft des weltweit größten Musikunternehmens konkurrieren?

Sehr unwahrscheinlich ist, dass die von Tencent genutzten Plattformen "neutral" sein werden. Eine bevorzugte Werbung auf den Plattformen von Tencent wird mehr Künstler*innen weltweit dazu ermutigen, ihre Verträge mit UMG zu schließen, und somit zur Erhöhung der Konzentration eines ohnehin durch die drei Majors extrem konzentrierten Marktes beizutragen. Nicht nur die kulturelle Vielfalt ist hier in Gefahr, sondern die Auswirkungen werden sich voraussichtlich auch in Preiserhöhungen und einem begrenzteren Angebot direkt bei den Verbraucher*innen niederschlagen. 

Wie geht es weiter?

Am 31. Dezember 2019 wurde bestätigt, dass Tencent unter der Führung eines Konsortiums einschließlich seiner Tochtergesellschaft Tencent Music Entertainment (TME) für 3,4 Milliarden Dollar eine strategische Beteiligung von 10 Prozent an der UMG erworben hat, mit der Option auf den Erwerb weiterer 10 Prozent bis zum 15. Januar 2021 zu den gleichen Bedingungen. Darüber hinaus hat der französische Mutterkonzern Vivendi erklärt, dass das Unternehmen den Verkauf weiterer Anteile – bis zu 50 Prozent – an andere potenzielle Partner verfolgen will. Hierzu könnten Unternehmen wie Spotify, Apple, Amazon, Google und Liberty Media gehören, die alle über beträchtliche Macht in verschiedenen Märkten verfügen. 

Selbst bei einem geringeren Anteilsverkauf sind die Auswirkungen für Verbraucher*innen und Wettbewerber*innen im Musikmarkt bedrohlich. In diese schleichende Landnahme sollten die zuständigen Regulierungsbehörden genau beobachten und frühzeitig eingreifen.

Dem Bundeskartellamt sind unterdessen die Hände gebunden. Mit Blick auf den (voraussichtlichen) Verkauf in Höhe von insgesamt 20 Prozent antwortete die Behörde am 18. Februar 2020 dem VUT: "Damit haben sich die zwischenzeitlichen Gerüchte eines Anteilserwerbs in Höhe von bis zu 30% nicht bestätigt. Das Bundeskartellamt sieht vor diesem Hintergrund derzeit keinen Anlass, den Zusammenschluss fusionskontrollrechtlich zu überprüfen. Dennoch wird das Bundeskartellamt die Marktentwicklung weiter beobachten." Künftig soll die geplante Novelle zum GWB-Digitalisierungsgesetz die Befugnisse der Kartellbehörden im Bereich der digitalen Wirtschaft ausbauen. Nach §19a des Referentenentwurfs sollen sie künftig ermächtigt werden, "missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb" zu kontrollieren. Gemeinsam mit IMPALA wird der VUT die Entwicklungen weiterverfolgen.