VUT-Position zum Thema "Haftung und Verantwortlichkeit im Internet"
14.04.2014
Auf die Frage nach der zivil-, datenschutz- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Inhalte im Internet gibt es bisher keine befriedigende Antwort. Eindeutige Verstöße gegen geltendes Recht können in der Praxis häufig nicht geahndet werden, weil es im Internet entweder keinen Verantwortlichen gibt, oder sich dieser ohne großen Aufwand seiner Verantwortung entziehen kann. Das hat zur Folge, dass selbst elementarste Grundrechte im Internet nicht durchgesetzt werden können. Urheber-, Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte sind im Internet nicht viel wert. Warum ist das so?
Die Antwort ist einfach:
Die heute geltende Regulierung des Internets wurde Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts konzipiert - einer Zeit heute unvorstellbar langsamer Datenübertragung, in der kaum einer der heute relevanten Dienste existierte. Hostprovider stellten damals vor allem technische Dienstleistungen zum Betreiben von Webseiten bereit und wurden zu Recht vor der Verantwortung für Inhalte geschützt, solange sie davon keine Kenntnis hatten.
Mittlerweile hat sich jedoch eine Vielzahl von Diensten entwickelt, die diese gut gemeinte Haftungsprivilegierung für Hostprovider ausnutzen, um unter ihrem Schutz massenhaft rechtsverletzende Inhalte zu verbreiten ohne hierfür wirksam verantwortlich gemacht werden zu können. Mit Hilfe von Arbeitsteilung, Briefkastenfirmen, Strohmännern etc. werden Strukturen geschaffen, in denen de facto niemand mehr verantwortlich ist. Die veraltete und überholte Definition von Hostprovidern macht dies möglich.
Mit diesen rasanten Entwicklungen hat der Gesetzgeber nicht Schritt gehalten. Deshalb heißt es heute mehr denn je: Code is Law[1]. „Von Unbekannten programmierte Algorithmen und ferne Konzerne bestimmen, was im Internet geht und was nicht.“[2]
Einzelpersonen, kleine und mittelständische Unternehmen sowie legale Angebote, die sich gegen illegale Konkurrenten behaupten müssen, tragen den größten Schaden davon. Während die illegalen Anbieter keinen Cent an Künstler und Produzenten der von ihnen verbreiteten Inhalte zahlen.
Deshalb fordert der VUT:
1. Wir müssen die Souveränität über unsere Daten, Urheber- und Persönlichkeitsrechte zurückgewinnen.
2. Die Gesetzgeber müssen einen nationalen und internationalen Rechtsrahmen schaffen, der Verantwortung im Internet klar regelt.
2.1 Der Rechtsrahmen muss wirksame Maßnahmen gegen strukturell rechtsverletzende Dienste erlauben, die sich hinter anonymen Nutzern, Briefkastenfirmen und Strohmännern verstecken.
2.2 Strukturell rechtsverletzende Dienste müssen von legalen Wirtschaftsbereichen wie Werbemarkt oder Finanzdienstleistungen entkoppelt werden. Jeder Akteur (Admin-, Werbe-, Payment- und Server-Dienstleister) innerhalb einer Struktur, die Rechtsverletzungen billigend in Kauf nimmt, sollte den Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet sein.
2.3 Im Gesetz muss klargestellt werden, dass die Haftungsprivilegierung nur für rein passive Technikanbieter gilt. Es gibt keinen Grund, YouTube und Uploaded haftungsrechtlich besser zu stellen als Spotify und iTunes.
2.4 Auch von internationalen, ausschließlich an ihren Profitinteressen orientierten Konzernen betriebene Dienste müssen dem Recht des Staates unterworfen sein, an dessen Bürger sie ihre Angebote richten. Das muss auch gelten, wenn der Konzern mehrere Niederlassungen oder seine Hauptniederlassung in einem Drittland hat.
[1] Lawrence Lessig, Code is Law, Harvard Magazin, 2000
[2] Thilo Weichert, Wer ist für was im Internet verantwortlich, Zeitschrift für Datenschutz 2014, S. 2