Zukunft der Förderung von Musikunternehmer*innen

26.08.2022

Musikunternehmer*innen leisten einen essenziellen Beitrag zur Vielfältigkeit unserer Kulturlandschaft und sie sind ein wirtschaftlicher Wachstumstreiber innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft. So erreichte die Bruttowertschöpfung in der gesamten Kultur- und Kreativwirtschaft im ersten Corona-Jahr 2020 rund 94,6 Mrd. Euro und lag damit etwas über dem Niveau des Maschinenbaus und vor anderen Branchen, wie den Finanzdienstleistungen, der Energieversorgung oder der chemischen Industrie.  Die deutsche Musikwirtschaft als Teilbereich der Kultur- und Kreativwirtschaft erzielte vor Corona zuletzt einen Umsatz von rund 9 Mrd. Euro. Während des Corona-Jahres 2020 erlitt sie einen Umsatzverlust von 44 Prozent und verzeichnete noch rund 5 Mrd. Euro Umsatz. (Kennzahlen vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022: Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2021., S. 12; 20.)

Die Bedeutung der Musikwirtschaft ergibt sich aber nicht allein aus Umsatzzahlen: So legt sie für viele weitere Märkte die Grundlage für wirtschaftliche Aktivität. Ihre Ausstrahlungseffekte erstrecken sich beispielsweise auf die Bereiche Rundfunk, Musiktourismus und Gastgewerbe. Dabei spielen die unabhängigen Musikunternehmer*innen mit einem Marktanteil von 35 Prozent der genutzten Musikaufnahmen eine wesentliche Rolle. Ihr Anteil an den jährlichen Neuveröffentlichungen liegt bei über 80 Prozent, damit leisten sie einen essenziellen Beitrag zur vielfältigen Kulturlandschaft in Deutschland.

Allen Verwerfungen durch die Folgen der Corona-Pandemie zum Trotz: Unabhängige Musikunternehmer*innen wollen ihre wirtschaftlichen Leistungen aus eigener Kraft erbringen. Für die Ausrichtung staatlicher Fördersysteme bedeutet das: Die Unterstützung soll sich auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und auf gezielte Bereiche (beispielsweise die Förderung von Digitalisierung oder des Exports) richten und keine staatliche Vollfinanzierung zum Ziel haben. Dabei ist es wichtig, den Akteur*innen eine langfristige Perspektive zu geben – jenseits pandemiebedingter Ausnahmesituationen.

Grundlage für eine bedarfsgerechte Förderung von unabhängigen Musikunternehmer*innen ist, sie als zu fördernde wirtschaftliche und kulturelle Akteur*innen ernst zu nehmen. Musikunternehmer*innen dürfen nicht Spielball zwischen Ressortzuständigkeiten sein. Die gesamte Kreativwirtschaft ist Motor von wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Transformation und sollte in diesem Zusammenhang verstetigt Gehör bei Entscheidungsträger*innen finden. Dazu gehören eindeutige und entscheidungsbefugte Ansprechpartner*innen auf allen Ebenen des föderalen Systems. Ebenso ist eine regelmäßige Datenerfassung der Branche – in Fortführung der Musikwirtschaftsstudie oder eines statistisch überarbeiteten Monitoringberichtes – notwendig, um Entwicklungen zu verfolgen und früh zu erkennen.

Unabhängige Musikunternehmer*innen bedarfsgerecht zu fördern bedeutet zudem, ihre symbiotische Partnerschaft mit ihren Künstler*innen zu verstehen und sie dennoch als wirtschaftliche Akteur*innen mit eigenständigen Bedarfen wahrzunehmen – wobei nicht wenige VUT-Unternehmen von den Künstler*innen selbst geführt werden. Förderung muss die unternehmerischen Strukturen in ihren verschiedenen Zyklen direkt erreichen – von der Gründung bis zur Nachfolge.

Wichtig ist dabei, die starke Verzahnung und Ketteneffekte zwischen den Branchensektoren im Blick zu behalten. Hierbei ist es unerlässlich, die praktische Expertise selbst zu Wort kommen zu lassen, um zukunftsweisende Förderinstrumente neu zu entwickeln sowie bestehende zu verbessern. Ebenso sollte die Vergabe von Fördermitteln mit einem kleinstmöglichen bürokratischen Aufwand, aber auch mit einem professionellen Mindestanspruch verknüpft sein. Das beinhaltet schlüssige Projektpläne ebenso wie die Evaluation der Ergebnisse.

Zu einer gelungenen Förderung unabhängiger Musikunternehmer*innen zählt auch die Ausgestaltung weitergehender wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen beispielweise im Steuerrecht sowie der Abbau bürokratischer Auflagen für kleinst-, klein- und mittelständisches Unternehmertum. Insgesamt gilt es, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, damit sich unabhängige Musikunternehmer*innen als gleichberechtigte Wirtschaftsakteur*innen behaupten können.

Anregungen für eine zukunftsweisende Musikwirtschaftsförderung

  • Einbeziehung der Praxis: Förderer und Verbände/Unternehmer*innen aus der Musikwirtschaft müssen zusammengebracht werden und gemeinsam in einem verstetigten Dialog konkrete Bedarfe herausarbeiten und bestehende Programme überprüfen
  • Überblick: durchsuchbare Datenbank mit regionalen, landes- und bundesweiten sowie europäischen Förderprogrammen/-strukturen; Unternehmer*innen sollten passende Förderangebote einfach überblicken können (beispielweise Suche nach Postleitzahl des Unternehmenssitzes, Förderbereich oder Genre); dies könnte im Rahmen des Neustartes des bundesweiten Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft realisiert werden
  • Länderübergreifender Zugang zu Förderung: positive Vorbilder der Förderung kleinerer Labels wie die Förderungen in Hamburg oder Berlin müssen in allen Bundesländern etabliert werden; analoge Programme auch für unabhängige Musikverlage
  • Bundesweites Label-/Verlags-Programm: ergänzendes bzw. auf die Landesförderung aufbauendes Programm bundesweit für größere Labels und Verlage
  • Stärkere Verknüpfung der Fördertöpfe: wünschenswert sind Querschnittsförderungen beziehungsweise Förderpakete
  • Digitalisierung: Unterstützung bei der digitalen Transformation wie beispielsweise Anschaffungen von Software für die Katalogverwaltung und Auswertung, die Bezuschussung von Programmen zum Audiotracking/Radiomonitoring sowie der Weiterbildung des Personals
  • Strukturförderung: Unterstützung bei der Neuanstellung von Nachwuchskräften und bei deren Aus- und Weiterbildung (Auszubildende, Duales Studium) durch befristete Förderung der Ausbildungs- und Lohnkosten
  • Exportförderung:
    • Exportbüro mit klaren Ansprechpersonen und Netzwerker*innen etablieren nach dem Vorbild des französischen, kanadischen oder australischen Exportbüros
    • Förderung der Teilnahme an relevanten ausländischen Messen, Showcases und Festivals, unter anderem Produktions- sowie Reisekostenzuschüsse und Visakosten für Branchenevents
    • stärkerer Fokus auf direkte, europäische Nachbarschaft; derzeitige Förderung der Teilnahme an South by Southwest (SXSW, Austin, Texas) überdenken
    • Förderungen von Tourneen im Ausland (inklusive Promotion); europaweite Förderung von „Huckepack“-Touren (zwei in ihrem jeweiligen Heimatland in etwa gleich erfolgreiche Künstler*innen/Acts nehmen den aus dem jeweils anderen Land stammenden Act mit auf Tour in ihrem Heimatland, die Künstler*innen/Acts profitieren damit jeweils von der Bekanntheit des lokalen Acts)
    • Zusammentreffen von Künstler*innen fördern (z. B. internationale Songwriting-Camps)
    • Strukturförderung für Markterschließung: temporäre Übernahme von Personalkosten/Kosten für Aufbau eines Standortes im Ausland; Anschubfinanzierung für Marketing/Promotion für den ausländischen Standort
  • Newcomer*innen: risikominimierende Label- und Management-Förderung für Nachwuchskünstler*innen; sollte an professionelle Mindestanforderungen gebunden sein; zinslose, rückzahlbare Zuschüsse aus einem zu schaffenden "Labelfonds"
  • Ökologische Herausforderungen: Unternehmer*innen befähigen, proaktiv und angemessen auf die sich dramatisch verändernden ökologischen Rahmenbedingungen zu reagieren sowie die Anforderungen an Nachhaltigkeitskriterien (beispielsweise im Zuge des Green Deal oder Förderbestimmungen) umzusetzen
  • Wertschätzung: Kultur für Kinder und Jugendliche leichter verfügbar machen und diese nach der Pandemie gezielt an (Live-)Kultur heranführen; Einführung eines Kulturpasses nach spanischem, französischem oder italienischem Modell