VUT-Position zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk

16.04.2015

In Deutschland gibt es, wie in den meisten anderen Staaten Europas, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die sich zu einem wesentlichen Teil aus Gebühren finanzieren. Im Gegensatz zu einer direkten Finanzierung aus Steuermitteln soll so ein wirksamer Schutz vor direkter Einflussnahme durch Staat und Politik gewährleistet werden. Aufgrund der technischen Entwicklung haben die ursprünglich lokalen Rundfunkanstalten ihre potenzielle Reichweite inzwischen auf die gesamte Welt ausgedehnt.

Der Privilegierung durch staatlich festgesetzte Gebühren stehen Pflichten gegenüber: Aus Sicht des VUT und seiner Mitglieder ist vor allem der in § 41 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrags festgeschriebene Kultur- und Bildungsauftrag mit dem Ziel der Darstellung von kultureller Vielfalt relevant. Die Sender haben nicht nur die Freiheit, ihre Programme unter einem geringeren ökonomischen Druck (Quoten, Werbeeinnahmen) zu gestalten, sondern auch die Pflicht, kulturelle Vielfalt abzubilden und zu sichern.

Die Gebührenfinanzierung ist im Kontext der Umstellung des differenzierten und gestaffelten Gebührensystems auf eine einheitliche Haushaltsabgabe in die Diskussion geraten.

Der VUT bekennt sich zum bestehenden Finanzierungssystem, stellt aber hinsichtlich der Erfüllung des Bildungs- und Kulturauftrags Defizite fest und erhebt folgende Forderungen:

· Wir erkennen an, dass auch öffentlich-rechtliche Anstalten zur Legitimierung ihrer eigenen Existenz darauf achten müssen, eine gewisse Reichweite zu erzielen. Doch die seit langer Zeit zu beobachtende inhaltlich-formale Annäherung verschiedener öffentlich-rechtlicher Sender an rein privatwirtschaftliche Formate lehnen wir ab und mahnen mehr redaktionelle Musikprogramme an, die die Vielfalt der deutschen Musiklandschaft abbilden.

· Das historisch gewachsene System von aktuell neun Landesrundfunkanstalten hat dazu geführt, dass die Qualität des Rundfunkangebots von Region zu Region stark variiert. Dem ist abzuhelfen, denn musikalische Vielfalt trägt zur kulturellen Bildung bei, sie ermöglicht kulturelle Teilhabe und trägt so zu unserer demokratischen Gesellschaft bei. Darum sollte allen Bürger_innen unabhängig von ihrem Aufenthaltsort der Zugang zur Vielfalt der Musiklandschaft ermöglicht werden.

· Festzustellen ist weiterhin, dass die sog. „Independents“ (kleine und mittelständische konzernunabhängige Musikunternehmen) insbesondere mit der Entwicklung junger Künstler_innen und nationalem Repertoire befasst sind, während deutsche Radiostationen tendenziell etablierte Künstler_innen und internationales Repertoire bevorzugen. So beträgt der Anteil nationalen Repertoires in Deutschland nur etwa zehn Prozent[1], was ein deutlich geringerer Anteil als in anderen EU-Staaten ist. Dies trägt ebenfalls zum Missverhältnis zwischen Kulturauftrag und Status Quo der deutschen Rundfunklandschaft bei.

· Wir fordern eine verlässliche Selbstverpflichtung öffentlich-rechtlicher Rundfunksender, mindestens 20 Prozent ihres Musikprogramms zur Präsentation neuer Musik und Künstler_innen zu nutzen – und zwar nicht nur der drei internationalen Medienkonzerne.

· Die Relevanz der Independents auf dem Musikmarkt muss sich auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk widerspiegeln: Die von kleinen und mittelständischen Musikunternehmen produzierte Musik ist im Rundfunk massiv unterrepräsentiert. Einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent der verkauften Musikaufnahmen steht lediglich ein Anteil von 5,5 Prozent der gespielten Songs im gesamten Radioprogramm gegenüber.[2] Im Jahr 2014 waren lediglich 3 Prozent der Titel der deutschen Airplay-Charts unabhängigen Musikunternehmen zuzuschreiben. Somit geht das Radioprogramm am Musikgeschmack der Käufer_innen deutlich vorbei, ein beachtlicher Teil der Bevölkerung wird also nicht erreicht. Teils ist dies der Programmpolitik der Privatsender geschuldet – doch auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten erfüllen ihren Auftrag zur Darstellung kultureller Vielfalt aus unserer Sicht unzureichend.


[1] Vgl. Legrand, Emmanuel/ EMO & Eurosonic Noordeslag. Music Crossing Borders. Monitoring the cross-border circulation of European music repertoire within the European Union. Januar 2012, S. 46: http://www.impalamusic.org/docum/04-press/2012/EMO%20Report_European%20repertoire_January%202012_Final.pdf

[2] Vgl. Ebd., S. 48.

 

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